smalltalk-Interview © SWRStefanie Schweigert

20. April, 2017

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SWR3-PopUnit-Chef Thomas Jung: „Wir scannen den Markt“

20 April 2017 – Wer wissen will, welche Musik gerade angesagt ist und wohin der Trend bald gehen wird, besucht am besten das „SWR3 New Pop Festival“. Im September ist es wieder soweit. smalltalk sprach vorab schon mal mit Thomas Jung. Im Interview verrät der Programmchef der SWR3 PopUnit, was den Veranstaltungsort Baden-Baden so besonders macht, nach welchen Kriterien das Line-up der Acts zusammengestellt wird und was Besucher und Fernsehzuschauer beim „SWR3 New Pop Festival“ 2017 erwartet.

smalltalk: Herr Jung, was ist das Erfolgsgeheimnis des „SWR 3 New Pop Festivals“?

Thomas Jung: Die musikalische Grundkonzeption: „early believe in the artist“. Konkret bedeutet das, jungen Künstlern ein Sprungbrett bieten, die zuhause meist schon Stars sind. Diese Art von Förderung der Popkultur ist in Deutschland einmalig. Deshalb erhielt SWR3 vom Musikverband für das „New Pop Festival“ bereits 2010 den begehrten deutschen Musikpreis ECHO. Wir engagieren uns sehr für aufstrebende internationale und nationale Acts im Programm und bieten ihnen mit diesem Festival eine multimediale Event-Plattform, die es sonst nicht gibt. Dabei ist dieses Festival nur die logische Ergänzung zur Radiomarke SWR3. Newcomer sind extrem wichtig für unser Programm, denn SWR3 ist ein vorwärts gerichteter moderner Sender, der sich nicht zuletzt durch seine Vielfältigkeit auszeichnet. Wir wollen gute neue Künstler fördern und den Menschen in der digitalen Überfluss-Welt das Musik-Angebot sortieren. Die Musikredaktion zeichnet sich durch konsequentes Entdecken und Entwickeln neuer Hits aus. Keine Popwelle in Deutschland ist so aktuell und frisch wie SWR3. Dafür lieben uns die knapp vier Millionen Hörerinnen und Hörer in Deutschland. Wie gesagt: Das Programm spiegelt sich im Festival wider und umgekehrt, beide Pole bilden eine Einheit, „Lust auf gute Musik – einfach SWR3“.

smalltalk: Was macht die besondere Atmosphäre von Baden-Baden als Veranstaltungsort aus?

Thomas Jung: Das Festival hat mittlerweile die ganze noble Kur- und Bäderstadt erobert. Rathaus, Hotels, Einzelhandel – alle ziehen mit. Für Baden-Baden ist dieses Event eine der wichtigsten Veranstaltungen im Jahr. Auch ohne Ticket kann jeder das Festival vor Ort ausgiebig miterleben: Vor dem Kurhaus steht eine Live-Bühne, auf der alle Künstler beim „SWR3 Star Talk“ Interviews geben. Kostenlos gibt es dort auch weitere Konzerte von Nachwuchskünstlern. Alle Auftritte der New-Pop-Acts werden auf eine große Videoleinwand übertragen, die in der Kurhausmuschel steht. Wer möchte, kann die „SWR3 Live-Lyrix“, also von Schauspielern performte Songtexte, im Museum Frieder Burda erleben. In der Stadt gibt es Late-Night-Shopping, in Bars und Clubs finden die Party-Nächte statt, bei denen SWR3-Moderatoren und SWR3-DJs auflegen – auch hier Eintritt frei. Durch die „SWR3 New Pop City Baden-Baden“ zieht sich ein roter Teppich, der alle Locations miteinander verbindet. Die Konzert-Locations bieten Musikern und Publikum ein außergewöhnliches Ambiente und einen hervorragenden Sound: im klassizistischen Kurhaus, im Rokoko-Theater nach Vorbild der Pariser Oper sowie im Festspielhaus, einem der größten Opern- und Konzerthäuser Europas.

smalltalk: Wie kommt es, dass das Publikum bereits im Vorfeld Karten bestellt, ohne das komplette Line-up zu kennen?

Thomas Jung: Es ist das Vertrauen in die musikalische Kompetenz von SWR3. Die Kartenkäufer wissen, dass die SWR3-Trendscouts und -Booker das Beste herausholen. Und das nicht nur vom internationalen Markt. Wir versuchen, auch das Beste aus einer Generation deutscher Künstler für das Festival zu buchen. Dabei sind die Spielregeln für alle Teilnehmer gleich: Bands und Interpreten müssen mindestens 60 Minuten lang live auftreten können.

smalltalk: Mit der isländischen Bluesrockband Kaleo und dem deutschen Sänger Wincent Weiss stehen bereits die ersten Acts fest. Welche weiteren Musikrichtungen möchten Sie 2017 abdecken?

Thomas Jung: Einen thematischen Schwerpunkt gibt es nie. Wir achten vielmehr auf musikalische Qualität und Innovation, auf Ausstrahlung und Überzeugungskraft der einzelnen Künstler. Die Auftritte im September spiegeln gewissermaßen die vergangenen zwölf Popmusik-Monate wider. Bei der Auswahl ist es außerdem das Ziel, ein hohes Maß an stilistischer Abwechslung zu erreichen, ein Mix aus vollem Band-Set, aus akustischen Shows und – warum nicht – auch DJ-Auftritten. EDM (Electronic Dance Music; Anm. d. R.) prägt seit Jahren den Musikmarkt, auch im Radio. Das „SWR3 New Pop Festival“ hat seit langen Jahren einen hervorragenden Ruf in der Musikindustrie, bei Agenturen und bei Künstlern weltweit.

smalltalk: Nach welchen Kriterien suchen Sie die Acts aus? Persönliche Vorlieben, Kooperationen mit Plattenfirmen oder Wünsche der Hörer?

Thomas Jung: Es ist die Liebe zur Musik und zum Event, die das SWR3-Team jährlich anspornt. Engagement, Leidenschaft, Kreativität stecken in diesem Festival. Bewusst orientieren sich die SWR3-Trendscouts bei der Auswahl nicht nur an Charts-Platzierungen. Sie scannen den Markt nach Strömungen, Trends, hoffnungsvollen Talenten und dem musikalischen Zeitgeist. Dabei gehören Gespräche mit den Labels genauso dazu wie ein akribisches Auge auf Entwicklungen bei YouTube. Die Scouts bewerten auch, was zum Beispiel in den USA, Skandinavien oder UK als „coming up“ veröffentlicht wird. Die finale Auswahl trifft das Team der SWR3-Musikredaktion, nachdem gecheckt wurde, ob ein Künstler tatsächlich auch ein Liveprogramm von mindestens einer Stunde drauf hat.

smalltalk: Das „SWR3 New Pop Festival“ findet seit 1994 statt. Wie hat sich die Veranstaltung über die Jahre hinweg verändert?

Thomas Jung: Peter Stockinger, legendärer Chef des Vorgängerprogrammes SWF3, wollte ein Festival wie in Montreux schaffen. Die Vision: ein Live-Musik-Marathon in einzigartigen Locations im Charme der luxuriösen Bade-Stadt. „Die Zeit war reif für ein Festival, das neuen Strömungen und Künstlern der Popmusik eine Bühne bietet“, so „Stocs“ damaliger Stellvertreter Gerold Hug, heute Hörfunkdirektor des SWR. Das „New Pop Festival“ startete klein und überschaubar im alten Bahnhof Baden-Baden. Über viele Jahre baute die Crew die Marke bis zum Groß-Event mit internationalem Renommee auf. Unterstützung gibt es aus allen Bereichen der Musikindustrie. Denn SWR3 hat bis heute nicht nur Mut, sondern einen hervorragenden Ruf. Das Musikevent ist aus den Terminkalendern von Musikfans, Musikindustrie und Medien längst nicht mehr wegzudenken. 20.000 Fans können die Künstler in den Locations erleben, mehr als 30.000 kommen über die drei Tage zusätzlich in die Stadt. Aber vor allem wurde das „SWR3 New Pop Festival“ wesentlich professioneller und zum multimedialen Medien-Event. Mit Festivalradio, intensiver Begleitung auf digitalen Plattformen, Konzerten im SWR Fernsehen, im ARD-Digitalkanal ONE und mit dem großen Special im Ersten. Dies unterstreicht noch einmal die Bedeutung des Festivals im Musik-Jahres-Kalender. Was sich über die Jahre noch verändert hat? Die ganze Stadt zieht mit und „brennt“, Baden-Baden ist „New Pop City“. Deshalb gilt mein Dank auch allen, die sich in der Kur-Stadt für dieses internationale Event engagieren.

smalltalk: Was waren für Sie bisher die absoluten Top-Acts beim „SWR3 New Pop Festival“?

Thomas Jung: Als SWR3-Chef kriegt man von den Auftritten beim Festival leider zu wenig mit. Auftritte schaue ich mir meist danach in der Aufzeichnung oder on demand an. Beeindruckt haben mich Künstler, die nur mit ihrer Gitarre bestückt vor rund 2.000 Menschen standen und die Location zum Kochen brachten, wie beispielsweise Passenger. Etliche kamen als Newcomer und wurden zu großen Stars.

smalltalk: Welche zunächst unbekannten Acts haben am Beginn ihrer Karriere auf dem „SWR3 New Pop Festival“ gespielt?

Thomas Jung: Alanis Morissette, die Fugees, Faithless, Xavier Naidoo, Maroon 5, Amy Winehouse, Bruno Mars, Katie Melua oder Ed Sheeran – sie alle schafften mit ihrem Auftritt beim „SWR3 New Pop Festival“ ihren Durchbruch auf dem deutschsprachigen Markt.

smalltalk: Was erwarten Sie vom „SWR3 New Pop Festival“ 2017?

Thomas Jung: Wir entwickeln das Festival stetig weiter. Zum ersten Male ist beispielsweise der ARD-Fernsehkanal ONE mit an Bord. Neue digitale Verbreitungskonzepte werden getestet. Die engagierte Crew von SWR3 steht für Innovation und Kreativität. Unsere Events – allen voran das Herzstück New Pop – machen die Marke erlebbar. Der Sänger Marlon Roudette brachte es bei einem Konzert auf den Punkt: „SWR3 – you bring the music to the people“.

smalltalk: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Jung.

Thomas Jung © SWR / Stefanie Schweigert

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