GIB MIR 5! Über die Folgen der Corona-Krise in den USA sprach smalltalk mit dem deutsch-amerikanischen Anwalt Nick Oberheiden. Mit Blick auf die Unterhaltungsbranche geht der Jurist, der auch den spektakulären Weinstein-Prozess beobachtet hat, von einer verstärkten Digitalisierung aus. (Foto: privat)

24. April, 2020

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USA: Nahezu landesweit sind Waffen komplett ausverkauft

Die Corona-Krise hat auch die USA fest im Griff. Über die Situation in den Staaten sprachen wir mit dem deutsch-amerikanischen Anwalt Nick Oberheiden, der eine der führenden amerikanischen Wirtschaftskanzleien mit Hauptsitz in Dallas leitet. Hinsichtlich einer „Wiederöffnung“ der Wirtschaft, gehen die einzelnen Bundesstaaten laut Oberheiden unterschiedliche Wege, was der Situation in Deutschland nicht ganz unähnlich ist. Einen etwas anderen Fokus als hierzulande haben die Amerikaner offenbar beim Thema knappe Güter. „Derzeit sind Waffen, insbesondere Sturmgewehre, nahezu landesweit nach wie vor komplett ausverkauft“, berichtet Oberheiden. Mit Blick auf die Unterhaltungsindustrie sagt der Jurist, der auch den spektakulären Weinstein-Prozess beobachtet hat, dass diese sich wohl langfristig auf eine verstärkte Digitalisierung werde einstellen müssen.

 

Herr Oberheiden, diese Woche hat Präsident Donald Trump einen Einwanderungsstopp für zunächst 60 Tage verhängt. Heißt das, dass derzeit tatsächlich keine Green Card mehr vergeben wird?

Nick Oberheiden: Der Einwanderungsstopp ist nicht nur zeitlich, sondern auch inhaltlich begrenzt. Es wird damit gerechnet, dass ca. 50.000 Green Card-Besitzer von der auf zwei Monate ausgerichteten Restriktion betroffen sind. Deutsche sind dann von dieser Regelung betroffen, wenn sie im Besitz einer Green Card sind und sich nicht für eine Ausnahmegenehmigung qualifizieren, d.h. nicht mit einem Amerikaner oder einer Amerikanerin verheiratet sind oder minderjährige Kinder in den USA haben. Weitere Ausnahmen gelten für Einwanderer, die zur nationalen Sicherheit der USA oder zur Stärkung des amerikanischen Gesundheitswesens beitragen. Wie der Supreme Court bereits im Zusammenhang mit dem wesentlich schärferen „Travel Ban“, d.h. dem Verbot der Einreise von Immigranten bestimmter Staaten wie dem Iran oder Nordkorea unlängst erklärte, besitzt der Präsident nahezu unbegrenzte Vollmachten in Fragen der nationalen Sicherheit.

Die US-amerikanische Freizügigkeit beim Thema Waffen stößt in Deutschland bekanntlich immer wieder auf Erstaunen. Nun scheinen sich die Amerikaner in der Corona-Krise zunehmend zu bewaffnen. Können Sie uns das erklären?

Nick Oberheiden: In der US-amerikanischen Verfassung ist das Recht, eine Waffe zu tragen, als einklagbares Grundrecht festgeschrieben. Das gibt es in dieser expliziten Form weltweit nur in den USA, Mexiko und Guatemala. Die Konturen dieses Grundrechts bleiben jedoch auch nach rund 200-jähriger Verfassungspraxis unklar. Einigkeit besteht insoweit, als dass bestimmten Gruppen wie etwa verurteilten Straftätern, Drogenabhängigen und geistig Kranken das Waffenrecht verwehrt ist. Die einzelnen Bundesstaaten haben die Autonomie, Einzelheiten des Grundrechts zu konkretisieren. Als sehr allgemeine Faustregel gilt: Je republikanischer ein Bundesstaat, desto großzügiger das Waffenrecht. Ich nenne ein Beispiel: In Texas darf man auch Gottesdienste bewaffnet besuchen, wohingegen andere Bundesstaaten wie etwa Virginia mit Hinweis auf die immer wiederkehrenden Massaker strengere Regelungen befürworten, was einen Verfassungskonflikt hervorruft. Derzeit sind Waffen, insbesondere Sturmgewehre, nahezu landesweit nach wie vor komplett ausverkauft. Das gilt auch für Munition. Die extreme Nachfrage nach Waffen geschieht dabei fast im Vier-Jahres-Takt und wird nicht selten instrumentalisiert. Der Gedanke, dass ein demokratischer Präsident im Weißen Haus sitzen könnte, veranlasst viele Amerikaner zu Panikkäufen – zusätzlich motiviert durch die jedenfalls anfangs bestehende Sorge, dass ein Engpass der Versorgung durch die Corona-Krise zu Unruhen führen könnte. Es ist wahrscheinlich, dass der Supreme Court, nunmehr mit konservativer Mehrheit, das Waffenrecht in den USA in zu erwarteten Fällen in der nahen Zukunft tendenziell eher ausweiten und stärken wird.

Viele deutsche Abiturienten reisen nach bestandenen Prüfungen ins Ausland. Zu den begehrten Zielen zählen traditionell auch die USA. Nun wurde im März ein Einreisestopp verhängt. Haben deutsche Abiturienten in diesem Jahr keine Chance mehr auf eine USA-Reise? Und was geschieht mit Austauschschülern und Au-pairs?

Nick Oberheiden: Das Problem des Austausches und des Tourismus ist keine Einbahnstraße. Auch Amerikaner zählen Europa und Deutschland zu ihren liebsten Reisezielen. Auf beiden Seiten des Atlantiks wird man möglicherweise mit Reiseplanungen bis auf Weiteres zurückhaltend sein müssen. Für Au-pairs wird es wohl keine Ausweisung geben. Wahrscheinlich ist eine Nicht-Verlängerung des Bleiberechts. Fragen des Einwanderungsrechts unterstehen dem Bundesrecht, Fragen des Arbeitsrechts dem Landesrecht. Letztlich ist die Frage des Bleiberechts damit eine Frage der Trump-Regierung.

Ebenfalls in dieser Woche wurde vermeldet, dass der Bundesstaat Missouri die Volksrepublik China im Zusammenhang mit dem Corona-Virus verklagt. Das Land habe „die Öffentlichkeit getäuscht“ und „wichtige Informationen unterdrückt“, soll es in der Anklageschrift heißen. Wie sehen Sie die Erfolgsaussichten des Verfahrens?

Nick Oberheiden: Die Klage ist diplomatisch heikel, jedoch juristisch hochinteressant. Grundsätzlich sind Klagen gegen souveräne Staaten in amerikanischen Gerichten nicht erlaubt. Jedoch gibt es unter dem insoweit einschlägigen „Foreign Sovereign Immunities Act“ von 1976 einige wichtige Ausnahmen, die auch der Supreme Court seit 1992 in einer Klage gegen Argentinien anerkannt hat. Sofern das Gericht in Missouri dieser Argumentation der kommerziellen Aktivität in den USA im vorliegenden Fall als Zulassungsgrund zustimmt, wird es spannend sein, zu sehen, inwieweit die amerikanischen Kläger ihrer Beweispflicht nachkommen können. Eine politische Lösung des Problems scheint nicht zuletzt auch angesichts der gegenseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeiten zwischen den USA und China mittelfristig wahrscheinlich.

In Deutschland ist auch die Unterhaltungsbranche stark von den Einschränkungen betroffen. So finden TV-Shows ohne Publikum statt, Konzerte werden ausnahmslos abgesagt. Entsprechende Entscheidungen folgen Erlassen der jeweiligen Landesregierungen bzw. der Bundesregierung. Wie sieht das in den USA aus? Und wie beurteilen Sie die Folgen der durch Corona bedingten Einschränkungen für die amerikanische Unterhaltungsbranche?

Nick Oberheiden: Die „Wiederöffnung“ der Wirtschaft wird auch in den USA kontrovers diskutiert. Die Position der Trump-Regierung ist, dass der Zeitpunkt und die Dimension des geschäftlichen Betriebes eine Frage der jeweiligen Gouverneure ist. Das Weiße Haus behält sich insoweit ein Interventionsrecht vor, als dass es nationale Standards und Empfehlungen ausspricht und im Fall der Nichtbeachtung Bundeshilfen kürzen könnte. Der Bundesstaat Georgia mit der Metropole Atlanta hat sich von diesen Empfehlungen losgesprochen und als erstes der vom Corona-Virus stark betroffenen Zentren den allgemeinen Geschäftsbetrieb wieder aufgenommen. Insgesamt ist die genaue Dimension des wirtschaftlichen Schadens durch das Corona-Virus möglicherweise weder national noch global ersichtlich. Um bei der amerikanischen Unterhaltungsindustrie zu bleiben: Dort wird man wie auch in anderen Wirtschaftsbranchen die Zeichen der Zeit erkennen und sich anpassen müssen – möglicherweise mit der Folge der verstärkten Digitalisierung der TV- und Kinoindustrie.

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