14. März, 2018
0Grimme-Juror Hans Hoff: Zu viele machen ihren Job ohne Liebe zum Produkt
Am Vormittag wurden die Gewinner des 54. Grimme-Preises bekanntgegeben – mit einem neuen Rekord. Insgesamt 68 Preisträgerinnen und Preisträger dürfen am 13. April in Marl ihre Auszeichnung entgegennehmen. Neben den Serien „Babylon Berlin“ und „4 Blocks“ wird mit der Netflix-Mystery-Serie „Dark“ u.a. erstmals die Eigenproduktion eines Streaming-Dienstes gewürdigt. Während Maren Kroymann und Sebastian Colley für das Comedy-Format „Kroymann“ einen Preis erhalten, gehen auch Jan Böhmermann und sein „Neo Magazin Royale“ erneut nicht leer aus. smalltalk sprach mit dem Medienjournalisten Hans Hoff über die Entscheidungen. Der langjährige Grimme-Juror in der Kategorie „Unterhaltung“ gibt sich bezüglich der aktuellen Lage der deutschen Fernsehlandschaft ernüchtert.
Herr Hoff, seit einigen Jahren schon sind Sie Mitglied der Jury des Grimme-Preises. Wie gut fühlten Sie sich denn in den vergangenen zwölf Monaten vom deutschen Fernsehen unterhalten?
Hans Hoff: Wenn ich mal die Momente abziehe, in denen mich das Fernsehen durch qualitative Fehltritte unfreiwillig unterhalten hat, sieht es sehr düster aus. Ich habe ein paar gute Serien gesehen, aber an der Unterhaltungsfront ist es weitgehend öde geblieben. Das hat sich ja auch in der Tatsache gespiegelt, dass die Grimme-Nominierungskommission ihr Kontingent an Preisvorschlägen nicht ausgeschöpft hat. Es gab 2017 einfach zu viel vom Gleichen, eine Show-Monokultur, die den „Shiny Floor“ langsam aber sicher auslaugt. Und 2018 scheint kaum besser zu werden. Da machen ganz offensichtlich zu viele Menschen ihren Job ohne Liebe zum Produkt.
Der Grimme Preis wird traditionell für Qualität und Innovation vergeben. Das dritte Jahr in Folge bekommt nun das „Neo Magazin Royale“ und damit Jan Böhmermann eine Auszeichnung. Was macht Böhmermann so viel besser als andere Kabarettisten, Comedians und Satiriker im deutschen Fernsehen?
Hans Hoff: Ich hätte den Preis gerne auch mal an jemand anderen vergeben. Schon der Abwechslung wegen. Ich fürchte Herr Böhmermann bekommt langsam ein Platzproblem auf seiner Gästetoilette, wo Fernsehtrophäen ja traditionell gerne gelagert werden. Aber er strengt sich nun mal immer wieder so sehr an, dass der Konkurrenz nicht einmal der Blick auf seine Rücklichter bleibt. Ihm geht es ganz offensichtlich um etwas. Das Schöne bei ihm ist ja, dass er bestes journalistisches Handwerk betreibt und das dann unterhaltsam serviert. Man wird bei ihm lachend klüger und weiß hinterher, was man vorher nur ahnte.
Die Jury ist längst dazu übergegangen, einzelne Beiträge oder Ereignisse zu würdigen. Mangelt es dem deutschen Unterhaltungsfernsehen tatsächlich so sehr an konstanter Qualität, dass die Jury Einzelbeiträge hervorhebt?
Hans Hoff: Vielleicht haben wir es aber auch nur mit einem Gegentrend zur endlosen Auswalzung von Showformaten zu tun. Nicht jede Show muss drei Stunden dauern, auch wenn hinten raus die Quote fett wird. Letztlich lebt jede Show von einer Idee, und wenn man die kompakt in einer Viertelstunde erzählen kann, dann reicht das halt. Das haben nur noch nicht alle Verantwortlichen im deutschen Showgewerbe kapiert, wie man gerade wieder beim gescheiterten Format „Das Ding des Jahres“ sehen konnte.
Warum hat beispielsweise das „Circus HalliGalli“-Team um Klaas Heufer-Umlauf und Joko Winterscheidt mit dem als „Gosling-Gate“ bezeichneten Prank gewonnen?
Hans Hoff: Sie haben auf zwei Arten gewonnen. Zum einen haben sie wirklich etwas gewagt. Sie hätten mit ihrer Aktion leicht auffliegen können und dann als die Deppen, die es nicht bringen, dagestanden. Glücklicherweise hat es aber geklappt, die eigenartigen Preisvergabekriterien der Goldenen Kamera, von denen man schon lange dachte, dass sie irgendwie eigenartig sind, offenzulegen und die Zuschauer klüger zu machen. Der andere Aspekt ist die spannende Aufbereitung ihrer Aktion. Das war so fein inszeniert, dass ich auch beim zweiten Anschauen in jeder Minute mitgefiebert habe, obwohl ich doch wusste, wie es ausgeht.
Was muss Ihrer Meinung nach das heutige „fernsehgemäße“ Angebot, wie es Grimme-Chefin Frauke Gerlach vor einiger Zeit genannt hat, liefern, um in Zukunft moderne Unterhaltung und Qualität unter einen Hut zu bringen? Wer oder was macht Ihnen da noch Hoffnungen?
Hans Hoff: Pierre M. Krause, der ja in diesem Jahr auch nominiert war, hat immer wieder mal lichte Momente, wo man denkt: Auf den sollte man achten, aus dem wird noch was. Aber wahrscheinlich nimmt er diesen ewigen Newcomer-Status noch mit in die Rente. Und „Wer weiß denn sowas?“ hat zumindest belegt, dass man auch ein eigentlich sehr konventionelles Format zur Qualität führen kann, wenn man es denn mit Engagement und Liebe zum Detail pflegt. Kai Pflaume zeigt sich da so schlagfertig, dass ich bereit bin, noch einiges von ihm erwarten.
Foto © Hans Hoff
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