15. November, 2021
0Igor Levit: Staatsbürger stehen auch in der Verantwortung
In der aktuellen Ausgabe von „Maischberger. Der Podcast“ ist Starpianist Igor Levit zu Gast. Er äußert sich darin über seine Musik, aber auch über sein Engagement gegen Antisemitismus und seinen Umgang mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie.
Der Pianist Igor Levit gehört zu den bekanntesten und erfolgreichsten Stars der klassischen Musik – nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Erst vor wenigen Wochen hat der 34-Jährige bei Sony Classical sein neues Album „On DSCH“ mit Werken von Dmitri Schostakowitsch und Ronald Stevenson veröffentlicht, über das er auch mit Moderatorin Sandra Maischberger in der aktuellen Ausgabe von „Maischberger. Der Podcast“ spricht.
In dem knapp einstündigen Gespräch, das in der ARD-Audiothek und auf weiteren gängigen Podcast-Plattformen abrufbar ist, geht es aber nicht nur um die musikalischen Aktivitäten von Levit und seine Vorliebe für Bob Dylan und Eminem. Immerhin zeichnet sich der meinungsstarke Künstler, der als Achtjähriger mit seiner Familie als jüdische Kontingentflüchtling von Russland nach Hannover umsiedelte, auch durch sein politisches und gesellschaftliches Engagement aus. Immer wieder erhebt er zum Beispiel die Stimme gegen Antisemitismus und Rassismus. Gerade erst ist zudem eine Twitterkampagne unter dem Hashtag „#allesindenArm“ gestartet, mit der Levit und weitere Prominente wie Schauspielerin Verena Altenberger oder Comedian Torsten Sträter Menschen zur Corona-Impfung motivieren möchten.
Wortwahl von Montgomery „hilft niemandem“
„Ich werde nicht aufhören, daran zu glauben, dass man irgendwelche Menschen noch erreicht. Wofür machen wir ansonsten das alles?“, sagt der Musiker im Talk mit Maischberger. Ihm selbst bereite die aktuelle Entwicklung der Pandemie Sorgen, allerdings wolle er sich nicht die Wortwahl des Weltärztepräsidenten Frank Ulrich Montgomery zu eigen machen, der von einer „Tyrannei der Ungeimpften“ gesprochen hatte, betont Levit. „Vor drei, vier Jahren hätte ich wahrscheinlich so einen Satz auch gesagt. Mittlerweile weiß ich einfach, mit einem gewissen Abstand und auch aus Dingen, die ich selbst gelernt habe und Gedanken, die ich mir zu sozialen Medien mache, dass das meine Sprache nicht mehr ist. Sie hilft niemandem.“
Deutscher Antisemitismus: „Schlimm, aber nicht überraschend“
Der Künstler, der in Lockdown-Zeiten auch mit seinen live im Internet übertragenen „Hauskonzerten“ für Aufsehen sorgte, räumt ein, dass er „jeden Tag“ mit den Corona-Maßnahmen gehadert habe, die ihm und seinen Musikerkolleginnen und -kollegen reguläre Auftritte monatelang nahezu unmöglich machten. „Ich habe sie trotzdem befolgt“, führt Levit aus. „Ich bin Staatsbürger. Damit gehen Verantwortungen einher und manchmal welche, mit denen der Privatmensch Igor sich vielleicht nicht so wirklich anfreunden kann. Aber ich bin damit okay.“
Deutliche Worte findet der 34-Jährige auch im Hinblick auf die vermeintliche Verstärkung antisemitischer Tendenzen durch die Coronaleugner-Szene. Darin mag Levit keine neue Entwicklung erkennen: „Ich habe keine Coronaleugner gebraucht und auch keine Menschen, die so widerlich karnevalesk irgendwelche KZ-Kostüme auf der Straße tragen, um deutschen Antisemitismus zu sehen, zu kennen, zu spüren und zu erleben. Ich halte ihn für schlimm, aber nicht für überraschend.“