RTL schluckt Sky: Zeit für gutes Fernsehen – und Zitronenkuchen
Mit seiner Ankündigung Sky zu übernehmen, landete RTL Deutschland-Chef Stephan Schmitter in der Vorwoche einen echten Coup. Seither wird in Deutschland viel diskutiert. Sollte der Deal tatsächlich von den Kartellbehörden genehmigt werden, dürfte das die hiesige Bewegtbild-Landschaft verändern. Kick-Media-Vorstandschef Alexander Elbertzhagen sieht neben Summen und Zahlen aber vor allem auch die Möglichkeiten, die Entwicklung qualitativ hochwertiger Inhalte voranzutreiben.
Liebe Freundinnen und Freunde des smalltalk,
Streamen oder nicht streamen? Das ist die Frage im Fernsehgeschäft unserer Zeit. Denn mit ihr entscheidet sich in der Branche wohl Sein oder Nichtsein. Vor diesem Hintergrund ist sicherlich auch der Coup zu betrachten, den RTL Deutschland-Chef Stephan Schmitter am Freitag der Vorwoche verkündete und der seither im Bewegtbild-Business intensiv diskutiert wird: RTL kauft Sky.
Die 155 Millionen Euro, die die Kölner dem Medienkonzern Comcast, dem größten Kabelnetzbetreiber der USA, dafür auf den Tisch legen wollen, könnten gut angelegtes Geld sein. Erstens ist der Kurs vergleichsweise günstig und zweitens geht RTL damit einen Riesenschritt in Richtung der Platzhirsche Netflix und Prime. Zählt man die Abonnenten von RTL+ und Sky zusammen, ist hierzulande die viel zitierte Augenhöhe mit der US-Konkurrenz nicht mehr weit. Hinter Netflix und Prime läge RTL/Sky dann nach eigenen Angaben mit zusammen 11,5 Millionen Kundinnen und Kunden auf Platz 3.
Sollte die Fusion von den (europäischen) Kartellbehörden abgesegnet werden, hätte das beachtliche Auswirkungen auf Deutschland. Nicht nur auf die Bewegtbildwirtschaft, sondern auch auf die Zuschauerinnen und Zuschauer in diesem Land. Ein Erfolg ist der ganzen Sache zu wünschen – auch wenn es dadurch für RTL Deutschland durchaus teurer werden dürfte. Sollte der Börsenkurs von RTL deutlich steigen, müsste nämlich noch einiges auf den ursprünglichen Preis draufgelegt werden. Laut Vereinbarung könnte Comcast am Ende insgesamt bis zu 377 Millionen Euro einstreichen.
Die Manager aus Philadelphia werden da gut verhandelt haben. Schließlich sind zumindest in der Vergangenheit schon viele kluge Leute aus Philadelphia gekommen. Von Benjamin Franklin bis Kobe Bryant. Und nicht zuletzt eröffnete die legendäre Elizabeth Goodfellow (1767 – 1851) in der Stadt eine der ersten Kochschulen Amerikas. Sie kreierte den berühmten „Lemon Meringue Pie“, einen herrlichen Zitronen-Baiser-Kuchen, der besonders im Sommer… Aber ich schweife ab. Mehr Kulinarik gibt‘s später etwas weiter unten.
Das, was also rund um den RTL-Sky-Deal diskutiert wird, sind zunächst einmal nur Zahlen. Um diese und die damit verbundenen Versprechen auch halten zu können, sind Inhalte von zentraler Bedeutung. Wenn man sich die Streaming-Bilanz des Monats Juni anschaut, so wie DWDL das diese Woche getan hat, dann konnte RTL+ vor allem mit Reality-Formaten punkten. „Ex on the Beach“, „Temptation Island“ und „Kampf der Realitystars“. Nebenbei bemerkt, fehlte bei Sky laut DWDL im vergangenen Monat das Zugpferd.
Aber nun zur entscheidenden Frage: Verbinden Sie mit der Vorstellung einer klassischen Streaming-Plattform Realityshows wie die oben genannten? Oder erwarten Sie nicht vielmehr hochwertig produzierte Serien, die am besten weltweit ausgewertet werden können? Netflix macht bekanntlich genau das. Auch mit deutschen Produktionen wie „Achtsam Morden“ und „Liebes Kind“. Da wird sich RTL/Sky wohl entscheiden müssen. Vielleicht machen sie ja auch weiterhin beides. Und natürlich Sport. In jedem Fall dürfte Reality allein für die Augenhöhe mit der US-Konkurrenz nicht reichen.
Nach all dem öffentlich ausgebreiteten Zahlenwerk würde es mich allerdings freuen, wenn die Verantwortlichen zukünftig etwas mehr über Inhalte reden würden. Sie sollten deutlich machen, dass sie ein tolles Programm machen, mit dem sie selbstverständlich ein möglichst großes Publikum erreichen können. Allein die Dauerdiskussion über Zahlen und Reichweiten macht ein Bewegtbildangebot nicht attraktiv. Das Essen in einem Sterne-Restaurant schmeckt schließlich auch nicht besser, weil ständig und ausschließlich über den Preis à la Carte geredet wird. Wer weiß schon, was der Einkäufer des Restaurants für die drei Keniabohnen zahlen musste, die der Koch neben das Lammkarree platziert hat?
Als Abonnent von RTL+ und Sky freut mich die angestrebte Fusion, weil ich dann nicht mehr beide Abonnements weiterführen müsste. Jedenfalls würde ich das nicht tun. Insofern ist die Zahl der Abonnenten nicht unbedingt das gleiche wie die Zahl der Abonnements. Aber das dürfte den Verantwortlichen klar sein. Und vielleicht sind das ja nur Marginalien. Vor allem geht es um gute Inhalte, die nun eher auf ein deutsches bzw. auf ein europäisches Publikum ausgerichtet sein könnten, als dies bei den US-Angeboten der Fall ist. Das Ergebnis könnte ganz einfach gutes Fernsehen sein. Und gutes Fernsehen, als Streaming-Angebot, Pay- oder Free-TV, wünschen wir uns doch alle.
Zunächst aber wünsche ich Ihnen ein weiterhin schönes und unterhaltsames Wochenende – wenn sie wollen mit Zitronen-Meringue!
Alexander Elbertzhagen
(Herausgeber smalltalk)