Musicals – die genießerische Seite des Musiktheaters
Sarah Engels gab diese Woche ihr Musical-Debüt. In der Kölner Produktion des Jukebox-Musicals „Moulin Rouge“ spielte sie die Hauptrolle der Satine und wurde vom Publikum mit Standing Ovations gefeiert. Kick-Media-Vorstandschef Alexander Elbertzhagen war vor Ort und feierte mit. In seiner heutigen Kolumne nimmt er Engels‘ Auftritt zum Anlass für einige Gedanken über das Musiktheater und eine persönliche Ehrung des erfolgreichsten deutschsprachigen Musical-Autors: Michael Kunze.
Liebe Freundinnen und Freunde des smalltalk,
Musicals sind im deutschen Feuilleton nicht gerade beliebt. Beim Publikum allerdings schon. Viele, ja, sehr viele Menschen buchen häufig sogar ihren Urlaub um eine Musical-Aufführung herum. Sie reisen nach Hamburg, Bochum oder Köln, um ihr Lieblingsstück zu sehen. Dieser Kulturimport aus dem angloamerikanischen Sprachraum gehört eben auch bei uns längst zu den fest etablierten Kunstformen.
Von Klassikern wie Jeromes Kerns „Show Boat“ und Leonard Bernsteins „West Side Story“ bis zu Cyndi Laupers „Kinky Boots“ – in den vergangenen 100 Jahren formten jede Menge Highlights das Musical als eigene Gattung des Musiktheaters. Wie der große deutsche Librettist Michael Kunze einmal gesagt hat: Das Musical ist die Fortsetzung der Operette und damit auch der altehrwürdigen Oper.
Es gibt große Musical-Komponisten wie Andrew Lloyd Webber. Und große Texter wie eben Michael Kunze. Die Basis des Welterfolgs „Elisabeth“ stammt beispielsweise von ihm, die Musik, das sei nebenbei bemerkt, von Sylvester Levay. Michael Kunze, der letzten Sonntag Geburtstag feierte, macht immer wieder deutlich, warum das Musical so erfolgreich ist: weil es sich ständig erneuert.
Gerade Kunze ist im Laufe seiner Karriere immer wieder innovative Wege gegangen. Auch deswegen genießt er in der Branche und beim Publikum einen hervorragenden Ruf. In Europa, aber auch in Japan und Südkorea. Außerdem schrieb er bekanntlich Songs für deutsche und internationale Stars. Udo Jürgens ist hier natürlich zu nennen. „Griechischer Wein“, „Ein ehrenwertes Haus“ und „Ich war noch niemals in New York“, das Stück, das schließlich zum Titelsong eines eigenen Udo-Jürgens-Musicals wurde.
Um selbst zu erleben, was die Vorläuferin des Musicals, die Operette, ausmacht, besuchte ich letzte Woche im Essener Aalto Musiktheater die aktuelle Inszenierung von „Wiener Blut“. Johann Strauss (Sohn) schrieb diese „komische Operette“ gemeinsam mit Adolf Müller junior. Und das Stück aus dem späten 19. Jahrhundert funktioniert heute immer noch. Denn es ist leicht zugänglich und geht am Ende gut aus. Wie auch bei den meisten Musicals. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ist Wien die wohl bedeutendste Musicalstadt im deutschsprachigen Raum. Der frühere PUR-Produzent Dieter Falk weiß diesen Standortvorteil ebenfalls zu nutzen. Gerade feierte sein mit seinem Sohn Paul Falk komponiertes Musical „Maria Theresia“ Premiere an der Donau.
Bei aller Leichtigkeit für das Publikum: Wer sich als Darstellerin oder Darsteller auf eine Musical-Bühne wagt, muss schon einiges draufhaben. Sarah Engels, die von der Kick-Media-Firma Pool Position gemanagt wird, hat in dieser Woche genau das bewiesen. In „Moulin Rouge“ im Kölner Musical Dome feierte sie ihre Premiere als „Satine“. Sie kam, sang und siegte. Ok, sie spielte und tanzte auch noch und verzauberte das Publikum. Die Herzen der Kölner flogen ihr zu.
Die Musik dieses sehenswerten Spektakels geht übrigens nicht auf einen einzigen Komponisten zurück. Vielmehr handelt es sich um ein sogenanntes Jukebox-Musical. Die Songs stammen ursprünglich von Madonna, Queen, The Police u.v.a.
Die Karrieren von Popstars wie diesen werden anders als Musicals gerne mal wohlwollend im Feuilleton behandelt. Im Grunde sind Musicals aber doch auch Popmusik. So wie einst die Werke von Johann Strauss oder Franz Lehár. Vielleicht erwarten Feuilletonistinnen und Feuilletonisten manchmal einfach etwas zu viel. Aber starke, meist gut gelaunte Inszenierungen, tolle Melodien und Texte sowie eindrucksvolle Performances und obendrein ein Happy End sind doch schon mal was, was einem Spaß, Freude sowie einen unterhaltsamen Abend bescheren kann. Und dieses genießerische Element des Musiktheaters sollte man nicht geringschätzen.
Ich wünsche Ihnen ein weiterhin schönes und unterhaltsames Wochenende!
Alexander Elbertzhagen
(Herausgeber smalltalk)
PS: Ein Jukebox-Musical der überraschenden Art läuft übrigens ab Januar in Duisburg. Unter dem sich selbst erklärenden Titel „Malle Olé“ bringt es die wunderbare Welt der Mallorca- bzw. Ballermann-Stars auf die Bühne des Theaters am Marientor. Ob das was fürs Feuilleton ist?
PPS: Im Musiktheater zählt in der Regel der Name des Komponisten. Wenn es um eine Oper geht, hat man es mit einem Werk von Mozart oder Verdi zu tun. Kaum jemand redet von den Librettisten, von Lorenzo Da Ponte oder Temistocle Solera. Aber es gibt Ausnahmen: „Die Dreigroschenoper“ zum Beispiel. Tonsetzer Kurt Weill ist zwar kein Unbekannter, aber in erster Linie wird in diesem Zusammenhang Bertolt Brecht genannt. Und bei den Musicals kommt man wie erwähnt nicht an Michael Kunze vorbei.


