Wo sind die Wege aus der Krise?
Vereinzelte Quoten-Lichtblicke wie etwa „Ein sehr gutes Quiz (mit hoher Gewinnsumme)“ mit Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf bei ProSieben können nicht darüber hinwegtäuschen: Das lineare Fernsehen und der zugehörige Werbemarkt stecken in der Krise. Kick-Media-Vorstandschef Alexander Elbertzhagen macht sich Gedanken über die aktuellen Entwicklungen und beobachtet, dass auch in anderen Bereichen das Geld längst nicht mehr so locker sitzt wie früher.
Liebe Freundinnen und Freunde des smalltalk,
wir befinden uns in einer Wirtschaftskrise. Das merkt langsam jeder und trifft uns alle. Die Gründe sind vielfältig und die Regierenden versuchen gegenzusteuern. Welchen Erfolg das haben wird, bleibt abzuwarten. In jedem Fall müssen wir in der Medienbranche uns schon jetzt einer sehr konkreten Herausforderung stellen: Die Werbeindustrie gibt weniger Geld aus.
Drei Schlagzeilen aus den vergangenen Tagen und Wochen zeigen für mich exemplarisch, wie stark unser Business von der Entwicklung der Werbemärkte abhängig ist. Zunächst verkündete der Vorstand von ProSiebenSat.1, dass der Ausblick für das Geschäftsjahr 2025 nach unten korrigiert werde. Das „makroökonomische Umfeld im deutschsprachigen Raum ist weiterhin von erheblicher Unsicherheit geprägt“, hieß es in der entsprechenden Mitteilung des Unternehmens.
Das führt mich zur zweiten der eingangs erwähnten Schlagzeilen, denn diese lautete (bei Meedia): „Umsatz mit Fernsehwerbung fast 10 Prozent unter Vorjahr“. Thematisiert wurde die jüngste Auswertung der Analysten von Nielsen, die für deutsche Sender und Vermarkter bei den Werbeumsätzen im linearen TV für August 2025 einen Rückgang um 9,8 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat auswiesen. In der Betrachtung des Gesamtjahrs werde bislang ein Minus von 3,9 Prozent verzeichnet.
Dass Werbung im linearen TV kontinuierlich an Relevanz verliert, verwundert angesichts der oftmals mageren Reichweiten und Quoten, gerade in den jüngeren Zielgruppen, nicht wirklich. Aktuelle Beispiele wie „Ein sehr gutes Quiz“ auf ProSieben oder auch die neu ins Programm genommenen Zweitliga-Fußballübertragungen bei RTL und Nitro zeigen, dass man mit attraktivem Live-Content auch gegen den Trend punkten kann. Doch dass es im Streaming-Zeitalter noch einmal ein großes Comeback des klassischen Fernsehens geben wird, ist eher unwahrscheinlich. Daher versteht man, dass viele TV-Sender mit einem Abo-Modell liebäugeln, wie es Netflix so erfolgreich vormacht: Wer hohe Abonnentenzahlen hat, braucht nicht mehr auf die Quoten zu schauen. Doch das ist einfacher gesagt als getan.
Insgesamt verlagern sich die Werbeaufwendungen zunehmend in den digitalen Bereich, was in der dritten Schlagzeile zum Ausdruck kommt, die ich hier vorstellen möchte: „Deutsche Werbewirtschaft beklagt Dominanz der US-Plattformen“, betitelte das Schweizer Finanz-Newsportal „Cash“ seinen Bericht, in dem aufgezeigt wird, dass im vergangenen Jahr erstmals mehr als die Hälfte des gesamten Werbeaufkommens hierzulande in Internet-Werbung geflossen ist. Für 2025 prognostiziert der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) demnach sogar schon einen Online-Anteil von 72 Prozent. Profiteure des Umbruchs sind in erster Linie die omnipräsenten amerikanischen Tech-Giganten Google, Amazon und Meta, aber auch das chinesische TikTok. Es wird wohl höchste Zeit, auf deutscher und europäischer Ebene ernstzunehmende Konkurrenz zu etablieren. Aber auch an dieser Stelle gilt: Einfacher gesagt als getan.
In jedem Fall ist auf den unterschiedlichsten Ebenen Umdenken angesagt, um sich die jüngeren Zielgruppen zu erschließen. Dies hat zum Beispiel auch ein traditioneller Player wie der Sparkassenverband erkannt, der seine Werbegelder verstärkt in Bereichen wie Social Media, Connected TV und Digitalradio einsetzt. Sogar ein eigenes PC- und Konsolenspiel wurde entwickelt. Darin geht’s ziemlich gruselig zu – es trägt aber trotzdem einen dezent optimistischen Titel: „Schwein gehabt!“
In diesem Sinne wünsche Ihnen ein schönes Wochenende!
Alexander Elbertzhagen
(Herausgeber smalltalk)
PS: Dass nicht nur in der Fernsehbranche „Schluss mit lustig“ ist, sondern auch in der Konsumgüterindustrie, sieht man mitunter sogar im eigenen Postfach. Gerade erst wurden mir Porsche-Sportwagen angeboten – sofort auf Lager! Solche Luxusgefährte sind heute mitunter sogar unter dem Einkaufswert zu bekommen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob mich das als Nicht-Sportwagenfahrer nach all den Jahren noch zum Umdenken bringt…
PPS: Die Krise erreicht auch den Kunstmarkt. Im globalen Auktionszirkus brechen Preise und Umsätze ein. Sogar einst hochdotierte Stars wie Gerhard Richter oder Andy Warhol fallen tief in der Kundengunst und im Kaufpreisniveau. Das „Manager Magazin“ berichtet darüber und titelt schelmisch: „Arte Povera“. Wie gut, dass ich meine Lieblingsbilder schon vor langer Zeit gekauft habe. Und wie gut, dass sie nicht zu den Spekulationsobjekten gehören, denn ich will sie ja behalten.